Fisch-Architekten vom Malawi-See sollen helfen, die Grundlagen komplexen Verhaltens zu verstehen

Neurobiologen erhalten 750.000 US-Dollar für Forschungsvorhaben

15. April 2019

Wie werden komplexe Verhaltensweisen im Genom kodiert und im Gehirn verankert? Um diese zentrale Frage der Neurobiologie zu erforschen, erhalten Wissenschaftler von Georgia Tech und dem Max-Planck-Institut für Neurobiologie einen "Program Grant" des Human Frontier Science Programs (HFSP).

Das Forschungsprojekt steht unter der Leitung von Todd Streelman und Herwig Baier. Streelman ist Professor an der Georgia Tech School of Biological Sciences (USA). Baier ist Direktor am Max-Planck-Institut für Neurobiologie in Martinsried.

„Es ist nach wie vor unglaublich schwierig, die zelluläre Basis und die genetischen Varianten zu bestimmen, die einem komplexen Verhalten zugrunde liegen“, sagt Streelman. „Um zu verstehen, wie Verhalten kodiert wird, müssen wir zwei Probleme lösen, das der Entwicklung des Nervensystems und das der Funktion der Schaltkreise.“

Um Antworten zu finden, wollen Streelman und Baier mit Hilfe von Buntbarschen aus dem Malawi-See ein Modellsystem entwickeln, das den komplexen Weg vom Genom über das Gehirn bis hin zum Verhalten aufzeichnet.

Männliche Buntbarsche bauen Lauben um Weibchen für die Paarung anzulocken. Die Lauben können die Form von Vertiefungen im Sand annehmen oder wie vulkanartige Burgen aussehen. Beide Laubentypen sind als entsprechendes Verhalten in bestimmten Fischlinien angelegt.

Wenn sich Fische aus den beiden Linien paaren, zeigen ihre männlichen Nachkommen ein bemerkenswertes Verhalten: Zuerst bauen sie eine Mulde, dann eine Burg. Dieses kombinierte Verhalten zeigt, dass ein einzelnes Gehirn, das beide Genome enthält, die beiden Verhaltenstypen nacheinander erzeugen kann.

In der Zeit, in der die Fische Mulden ausheben, ist die Genexpression im Fischgehirn auf die Muldenvariante des Genoms (Mulden-Allel) ausgerichtet. Während der Burgbauaktivität verschiebt sich die Expression auf das Burg-Allel. „Dieses Phänomen bietet gleichzeitig die Möglichkeit die Logik hinter der Genomregulierung zu untersuchen, als auch die neuronalen Schaltkreise zu identifizieren, die diesem komplexen Verhalten zugrunde liegen“, so Baier.

Die Gruppe um Todd Streelman wird mit Hilfe von Einzelzell-RNA-Sequenzierung die Zellpopulationen identifizieren, die eine kontextabhängige, Allel-spezifische Expression im männlichen Fischgehirn vermitteln. Das Team von Herwig Baier wird mit Genom-Editierung und optogenetischen Werkzeugen bestimmte Nervenzellen im Gehirn beeinflussen, während die männlicher Fische ihre Lauben bauen.

„Durch unsere gemeinsame Arbeit wollen wir die Nervenzellen identifizieren, die verhaltensspezifische Allele exprimieren und können diese Zellen idealerweise den Verhaltenstypen zuordnen“, sagt Baier.

„So können wir zeigen, wie das Genom in bestimmten Zelltypen aktiviert wird, um kontextabhängige, soziale Verhaltensweisen zu erzeugen“, so Streelman.

Das Forschungsvorhaben von Streelman und Baier ist eines von gerade einmal 25 Projekten, die das HFSP von insgesamt 654 eingereichten Absichtserklärungen fördert. Das HFSP finanziert Grundlagenforschung an den Grenzen der Lebenswissenschaften. Das prestigeträchtige Programm wird von der International Human Frontier Science Program Organization mit Sitz in Straßburg, Frankreich, verwaltet und von den Regierungen verschiedener Länder, sowie der Europäischen Union, finanziert.

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