Spontanität im Fischgehirn

Wissenschaftler wollen verstehen, wie zufälliges Verhalten im Gehirn entsteht

31. August 2018

Verhalten verfolgt meist einen bestimmten Zweck. Doch Verhalten ist nicht immer zielgerichtet, sondern auch spontan und zufällig. Denn wenn zum Beispiel die Fluchtbewegungen eines Tieres nach einem vorhersehbaren Muster ablaufen würden, wäre ein fatales Ende nur eine Frage der Zeit. Ob der Hase nach rechts oder links ausweicht, wenn der Fuchs von hinten kommt, sollte somit eine Zufallskomponente haben. Wie das Gehirn ein stabil ablaufendes Verhaltensprogramm (wie zum Beispiel Flucht) mit zufälligen Komponenten ergänzt, ohne dass das ganze System zusammenbricht, wollen Ruben Portugues vom Max-Planck-Institut für Neurobiologie und sein Kollege Michael Orger von der Champalimaud Foundation verstehen. Die VW-Stiftung unterstützt das Vorhaben mit einem "Leben?" Forschungsstipendium.

„Zufällige Verhaltenskomponenten sind enorm wichtig, aber schwer zu beschreiben“, erklärt der Neurobiologe Portugues. „Wir müssen in unserem Modellorganismus, dem Zebrafisch, das vermutete Verhalten daher erst einmal einwandfrei charakterisieren und dann eine geeignete Testumgebung schaffen.“ Dabei wollen die Forscher sowohl Verhalten in Reaktion auf einen äußeren Reiz als auch ohne solche Einflüsse beobachten.

Ist ein passendes Verhalten mit Spontankomponenten erst einmal identifiziert, geht’s ans Eingemachte. Mit Highspeed-Kameras und den neusten Mikroskopieverfahren will der Wissenschaftler das Verhalten und die neuronale Aktivität junger Zebrafischlarven zeitgleich erfassen. Erst seit kurzem ist es dank neuster optischer Methoden möglich, die Nervenzellaktivität der kleinen, durchsichtigen Fische von außen systematisch zu beobachten und zu manipulieren. Mit Hilfe eines speziellen Tracking-Mikroskops und optogenetischer Methoden wollen die Wissenschaftler daher nun die Rolle einzelner Nervenzellen als Teil des Netzwerks untersuchen: Die Frage ist, ob und wie zufällige Verhaltenskomponenten aus der Aktivität von Nervennetzwerken entstehen können.

Die Studie findet in Zusammenarbeit mit Michael Orger von der Champalimaud Foundation statt. Die beiden Wissenschaftler und ihre Teams erhalten zur Durchführung des Vorhabens ein Forschungsstipendium der VW-Stiftung im Rahmen der Förderung „Leben? – Ein neuer Blick auf die grundlegenden Prinzipien des Lebens“. Das Projekt wird dadurch über fünf Jahre mit insgesamt 1,3 Millionen Euro gefördert.

Ruben Portugues studierte Mathematik an der Cambridge Universität, wo er 2004 auch seinen Doktortitel in theoretischer Physik erlangte. Nach Forschungsaufenthalten am Centro de Estudios Cientificos (CECS) in Chile und der Harvard University in den USA, kam er 2014 an das MPI für Neurobiologie. Hier untersucht er mit seiner Max-Planck-Forschungsgruppe „Sensomotorische Kontrolle“, wie Sinne und Erfahrungen Bewegungen beeinflussen.

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