Revierverteidigung und Testosteron beim Hausrotschwanz

Das Geschlechtshormon Testosteron wird üblicherweise mit Aggression in Verbindung gebracht, und das nicht nur beim Menschen, sondern auch bei anderen Tieren. Bei Vögeln beeinflusst Testosteron viele Verhaltensweisen, die für die Revierverteidigung und für das Werben um Weibchen während der Brutzeit wichtig sind.

Wir untersuchen das Revierverhalten von Hausrotschwänzen (Phoenicurus ochruros). Dieser Singvogel unterscheidet sich von vielen anderen Vögeln dadurch, dass er auch außerhalb der Brutzeit, also auch im Herbst und vermutlich auch im Winter, ein Revier verteidigt.

Die Ergebnisse unserer Studien zeigen, dass Testosteron beim Hausrotschwanz nur wenig mit der Revierverteidigung zu tun hat. Aber warum ist das so? Testosteron wird vor allem in den Hoden produziert. Diese Hoden können beim Hausrotschwanz und anderen kleinen Singvögeln in der Brutzeit Bohnengröße erreichen. Außerhalb der Brutzeit sind die Hoden jedoch so winzig, dass sie fast nicht sichtbar sind. Solch kleine Hoden produzieren natürlich auch kaum Testosteron. Wie soll der Hausrotschwanz mit solchen Miniaturhoden ein Revier verteidigen, wenn er dazu Testosteron braucht? Manche Vogelarten lösen dieses Problem dadurch, dass sie Testosteron anderswo herstellen, z.B. direkt im Gehirn. Aber beim Hausrotschwanz gibt es vermutlich ein "fest verdrahtetes" neuronales Programm zur Revierverteidigung und Testosteron wird nicht benötigt. Stattdessen müssen Hausrotschwänze wohl eher einen Weg finden, um ihr "Revierprogramm" dann abzuschalten, wenn es hinderlich ist, und zwar während der Zugzeit, wenn sie zwischen Sommer- und Winterquartier wechseln.

Unsere Arbeit zeigt: das Wechselspiel zwischen Verhalten und Hormonen ist komplexer als gedacht!

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Ausgewählte Publikationen des Hausrotschwanzprojekts

Goymann, W.; Dávila, P. F.: Acute peaks of testosterone suppress paternal care: Evidence from individual hormonal reaction norms. Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences 284 (1857), 20170632 (2017) DOI

Goymann, W.; Villavicencio, C. P.; Apfelbeck, B. A.: Does a short-term increase in testosterone affect the intensity or persistence of territorial aggression? - An approach using an individual's hormonal reactive scope to study hormonal effects on behavior. Physiology & Behavior 149, S. 310 - 316 (2015) DOI

Villavicencio, C. P.; Apfelbeck, B. A.; Goymann, W.: Parental care, loss of paternity and circulating levels of testosterone and corticosterone in a socially monogamous song bird. Frontiers in Zoology 11, 11 (2014) DOI

Apfelbeck, B. A.; Goymann, W.: Ignoring the challenge? Male black redstarts (Phoenicurus ochruros) do not increase testosterone levels during territorial conflicts but they do so in response to gonadotropin-releasing hormone. Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences 278 (1722), S. 3233 - 3242 (2011) DOI

Apfelbeck, B. A.; Stegherr, J.; Goymann, W.: Simulating winning in the wild - The behavioral and hormonal response of black redstarts to single and repeated territorial challenges of high and low intensity. Hormones and Behavior 60 (5), S. 565 - 571 (2011) DOI

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