Das geheime Kommunikationssystem im Zellinneren entschlüsseln
Tabitha Hees erhält Otto-Hahn-Medaille für bahnbrechende Mitochondrien-Forschung
Mitochondrien sind die „Kraftwerke“ der Zellen, da sie diese mit Energie versorgen. Doch was haben sie mit Alzheimer zu tun? Als Tabitha Hees ihre Forschung in der Forschungsgruppe von Angelika Harbauer am Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz begann, ahnte sie nicht, dass ein zentrales Puzzlestück das Hormon Insulin sein könnte. Heute weiß sie es besser – und wird für ihre bahnbrechenden Erkenntnisse mit der Otto-Hahn-Medaille ausgezeichnet. Im Interview spricht sie über ihre Entdeckungen, die Bedeutung der Auszeichnung und warum sie von Mitochondrien-Forschung so begeistert ist.

Tabitha, in deiner Forschung dreht sich alles um Mitochondrien – die „Kraftwerke“ der Zellen. Was genau hast du herausgefunden?
Alle Nervenzellen im Gehirn haben in ihrem Inneren Mitochondrien, die sie mit Energie versorgen. In meiner Doktorarbeit konnte ich erstmals zeigen, dass Insulin eine zentrale Rolle bei der Qualitätskontrolle von Mitochondrien spielt. Insulin beeinflusst, ob beschädigte Mitochondrien von den Nervenzellen weiterverwendet oder entsorgt werden. Wenn dieser Prozess gestört ist und defekte Mitochondrien nicht abgebaut werden, kann das den Nervenzellen erheblich schaden. Die Kraftwerke produzieren dann nicht mehr genug Energie und gleichzeitig entstehen schädliche Nebenprodukte, die andere Zellbestandteile angreifen können. Auf Dauer beeinträchtigt das die Zellfunktion – und kann zur Entwicklung neurodegenerativer Erkrankungen wie Alzheimer beitragen.
Eine wichtige Grundlage also für das Verständnis solcher Erkrankungen?
Genau. Unsere Forschung zeigt eine neue Verbindung zwischen gestörter Mitochondrien-Funktion, Insulin und neurodegenerativen Prozessen. Besonders spannend finde ich die Frage, wie dieses empfindliche Gleichgewicht aus dem Takt gerät – und ob wir es wiederherstellen können. Das ist nicht nur aus Sicht der Grundlagenforschung faszinierend, sondern auch ein potentieller Ansatz für zukünftige Therapien. Hierin liegen vielversprechende Perspektiven für zukünftige Studien, für die wir wichtige Grundsteine gelegt haben.
Was begeistert dich an deiner Forschung am meisten?
Mich fasziniert, wie perfekt aufeinander abgestimmt unzählige Prozesse in einer Zelle ablaufen müssen. Die verschiedenen Zellbestandteile – wie etwa die Mitochondrien – arbeiten eng zusammen, ohne dass wir das mit bloßem Auge sehen könnten. Es fühlt sich oft an, als würde ich einem verborgenen Kommunikationssystem auf die Spur kommen. Diese kleinen Aha-Momente, wenn ein Teil des Puzzles plötzlich passt, sind für mich das Schönste an der Forschung.
Was bedeutet dir die Auszeichnung mit der Otto Hahn-Medaille?
Sie ist für mich weit mehr als eine Auszeichnung wissenschaftlicher Erkenntnisse. Sie würdigt auch den langen, oft fordernden Weg einer Doktorarbeit. Vor allem aber empfinde ich sie als Ermutigung, dass meine Arbeit vielleicht tatsächlich einen Beitrag dazu leisten kann, grundlegende, biologische Prozesse besser zu verstehen – und damit langfristig neue Perspektiven für die Wissenschaft zu eröffnen.
Was machst du heute – nach deiner Promotion?
Ich habe mich entschieden, meine akademische Ausbildung durch praktische Erfahrungen in der Pharmaindustrie zu ergänzen. Besonders spannend finde ich, wie Grundlagenforschung dort in konkrete Anwendungen übersetzt wird. Im Rahmen eines Future-Leader-Programms arbeite ich aktuell in verschiedenen Bereichen und werde gezielt auf die Übernahme verantwortungsvoller Aufgaben vorbereitet – sei es in der Industrie oder möglicherweise auch wieder in der Forschung.
Das Interview führte Magdalena Warner.