Marshmallow-Test bei Papageien
Afrikanische Graupapageien haben eine bessere Selbstkontrolle als Aras
Afrikanische Graupapageien lehnen eine sofortige Belohnung mit Aussicht auf eine bessere eher ab als Aras. Sie können also möglicherweise eine Belohnung länger herauszögern als Aras. Dies haben Wissenschaftler*innen um Auguste von Bayern vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen herausgefunden. Die Vögel, die sich mit auf- und abgehen ablenkten, hielten das Warten am längsten durch.
Der Marshmallow-Test ist ein bekanntes Experiment zu Impulskontrolle und Belohnungsaufschub aus den frühen 1970er Jahren. Er misst das Vermögen, auf eine Belohnung zu warten, wenn diese mit der Zeit größer wird. Die Fähigkeit zur Selbstkontrolle wurde mittlerweile auch bei einigen Tierarten nachgewiesen, darunter Schimpansen, Kapuzineraffen, Haushunden, Tintenfische und Krähen.
Ein Team von Forscher*innen rund um Auguste von Bayern vom Max-Planck-Institut für Ornithologie hat nun auf der Max-Planck Forschungsstation im Loro Parque – Animal Embassy, in Spanien die Selbstkontrolle von vier Papageienarten verglichen. Dafür wurden acht große Soldatenaras, sechs Blaukehlaras, sechs Blaukopfaras und acht Graupapageien untersucht, die die Loro Parque Stiftung den Forscher*innen zur Verfügung stellte. Die Wissenschaftler*innen testeten, wie lange die Papageien in der Lage waren, dem Verzehr eines für sie mäßig attraktiven Futters zu widerstehen, während sie auf ein bevorzugtes Futter warteten.
Test zur Selbstkontrolle von vier verschiedenen Papageienarten
Die Forschenden fanden heraus, dass afrikanische Graupapageien im Durchschnitt knapp 30 Sekunden auf ihr bevorzugtes Futter warten konnten, verglichen mit 20 Sekunden bei großen Soldatenaras, 12 Sekunden bei Blaukopfaras und 8 Sekunden bei Blaukehlaras. Die Bestleistung erzielte ein Graupapagei namens Sensei, er war in der Lage, bis zu 50 Sekunden zu warten - 20 Sekunden länger als die maximale Wartezeit des geduldigsten Aras.
Matthew Petelle, der korrespondierende Autor der Studie, sagt: "Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Selbstkontrollfähigkeiten zwischen eng verwandten Ara-Arten und einzelnen Individuen stark variieren. Wir vermuten, dass dies mit Unterschieden in der relativen Gehirngröße oder der allgemeinen Intelligenz zusammenhängen könnte.“ Auch die Ernährungsweise oder die soziale Organisation der verschiedenen Arten könnte einen Einfluss haben. Selbstbeherrschung ist möglicherweise bei Vogelarten stärker ausgeprägt, die mehr Zeit in ihre Futtersuche investieren müssen oder die in einem komplexeren sozialen Umfeld leben.
Um die Fähigkeiten zur Selbstkontrolle zwischen Papageienarten zu vergleichen, wurden den Vögeln Sonnenblumenkerne – ein mäßig beliebtes Futter – auf einem feststehenden Löffel durch eine kleine Öffnung in einem durchsichtigen Fenster dargeboten. Sie mussten zwischen fünf und 60 Sekunden warten, bis ein weiterer, an einer Drehscheibe befestigter Löffel mit einer Walnuss - eine ihrer Leibspeisen - sich in Ihre Reichweite bewegte. Die Vögel konnten während des gesamten Versuchs sowohl die Samen als auch die Nüsse durch das transparente Fenster sehen. Wenn der Vogel sich über die Sonnenblumenkerne hermachte, bevor er die Walnüsse vorgesetzt bekam, stoppte die Drehscheibe sofort. Das Experiment war damit beendet, und der Vogel konnte die Walnüsse nicht mehr fressen.
Während die Vögel auf die Walnüsse warteten, beobachteten die Forscher*innen einige von ihnen dabei, wie sie sich bewegten und mit Gegenständen hantierten. Je mehr Zeit ein Vogel mit diesen Verhaltensweisen verbrachte, desto erfolgreicher war er beim Warten, insbesondere wenn er länger als zehn Sekunden warten musste. Die Wirksamkeit dieser Verhaltensweisen variierte je nach Vogelart. Graupapageien waren beim Warten erfolgreicher als Blaukehl- und Blaukopfaras, obwohl sie diese Verhaltensweisen ähnlich lange ausübten.
Auguste von Bayern, Leiterin der Studie sagte: "Wir vermuten, dass die Vögel sich so verhalten, um den Impuls zu unterdrücken, das von ihnen nicht bevorzugte Futter zu fressen. So können sie das Warten auf das von ihnen bevorzugte Futter besser bewältigen.“ Ähnliche Bewältigungs- oder Ablenkungsverhaltensweisen, die bei anderen Tierarten beobachtet wurden, wie z. B. das Hinlegen und Wegschauen bei Hunden oder das Spielen mit Spielzeug bei Schimpansen, wurden schon früher mit einem größeren Erfolg beim Warten in Verbindung gebracht.
Die Autor*innen geben zu bedenken, dass derzeit nur wenig darüber bekannt ist, wie die untersuchten Papageienarten mit ihrer natürlichen Umgebung und anderen Papageien in freier Wildbahn interagieren. Aus diesem Grund lassen sich nur begrenzt Schlussfolgerungen über die die beobachteten Unterschiede bei den Selbstkontrollfähigkeiten zwischen den Arten ziehen. Mit künftigen Untersuchungen zur sozialen Organisation, dem Verhalten bei der Nahrungssuche und der Gehirngröße von Papageienarten wie Blaukopf- und Blaukehlaras könnte deren Einfluss auf die Entwicklung von Selbstbeherrschung und Geduld ermittelt werden.