Susanne Hoffmann

Wissenschaftler*in

Forschungsinteressen

Zusammenfassend können meine Forschungsinteressen am besten mit dem Begriff „Sensorische Neuroethologie“ beschrieben werden. Am meisten faszinieren mich spezialisierte sensorische Systeme und deren neuronale Mechanismen, die Tieren ein Überleben in ökologischen Nischen ermöglichen. Während der letzten Jahre war meine Forschung auf das Echoortungssystem und das visuelle System von Fledermäusen fokussiert. Diese Forschungsbereiche habe ich vor Kurzem um das auditorische und vokal-motorische System der Singvögel erweitern können. Für meine Forschung nutze ich größtenteil elektrophysiologische Techniken in-vivo, versuche aber so oft wie möglich, diese mit anatomischen Methoden oder Verhaltensbeobachtungen zu kombinieren. Das ermöglicht es mir, wissenschaftliche Fragestellungen aus verschiedenen Perspektiven zu beantworten. Mithilfe einer neuartigen Technik, die am Max-Planck Institut für Ornithologie entwickelt wurde, kann ich zum Beispiel die individuellen Lautäußerungen von mehrern Vögeln in einer Gruppe parallel zu deren Hirnaktivität aufnehmen während sich die Tiere frei verhalten.

Neuronale Steuerung von synchronisiertem sozialen Verhalten in Singvögeln

Soziale Interaktionen beinhalten oft koordinierte Verhaltensmuster, welche auf simultaner Präzision und Flexibilität von motorischen Aktionen zwischen Individuen basieren. Viele verschiedene Tierarten koordinieren Signale, um gemeinsame Ressourcen zu verteidigen oder soziale Bindung zu signalisieren. Die in dieser Hinsicht am besten untersuchten Signale sind die von Singvögeln produzierten vokalen Duette. Diese Wechselgesänge zeichnen sich besonders durch die außergewöhnliche zeitliche Präzision aus, mit der die Gesangspartner ihre Vokalisationen koordinieren und stellen somit ein exzellentes Modellsystem dar, um die Koordination rhythmischer sozialer Interaktionen zu untersuchen. Während die Funktion und Evolution des Duettierens bei Singvögeln mehrfach untersucht wurde, existieren zu den neuronalen Grundlagen des koordinierten Vogelgesangs bisher nur wenige Daten.

Um die rhythmischen Muster vokaler Duette zu untersuchen, nehmen wir synchron die individuellen Vokalisationen von in Kolonien wild-lebenden, duettierenden Vögeln auf, indem wir jeden Vogel mit einem Miniaturmikrophonsender ausstatten. Unsere Daten zeigen eine hochpräziese zeitliche Ausrichtung der abwechselnd vom männlichen und vom weiblichen Duettpartner gesungenen Gesangssilben. Wir können außerdem beobachten, dass während des Duetts männliche bzw. weibliche Tiere einer Kolonie die Produktion von geschlechtsspezifischen Gesangssilben exakt synchronisieren. Dieses präzise koordinierte Gruppenverhalten resultiert in einem Chorgesang, der von einem von nur zwei Tieren gesungenen Duett kaum zu unterscheiden ist. Um die neuronalen Mechanismen zu untersuchen, die dieser zeitlich höchstpräsize koordinierten Lautproduktion unterliegen, statten wir derzeit Gruppen von duettierenden Vögeln mit zusätzlichen Sendern aus. Diese Sender sind mit im Gesangskontrollsystem der Vögel implantierten Elektroden verbunden, welche die neuronale Aktivität in dieser Hirnregion aufzeichnen während die Vögel duettieren.

Die neuronale Grundlage des skotopischen Sehvermögens in echoortenden Fledermäusen

Wie funktionieren sensorische Systeme unter limitierenden Bedingungen. Welche Anpassungsmechanismen gibt es, die sensorischen Organen auch während begrenztem sensorischen Eingang eine adequate Funktionalität garantieren? Das visuelle System nachtaktiver Tiere zu Beispiel besitzt verschiedene Anpassungen, welche den Tieren das Sehen unter skotopischen Bedingungen ermöglichen. Obwohl Fledermäuse sich hauptsächlich auf ihr Echoortungssystem verlassen, um sich in der Dämmerung zu orientieren, können sie zusätzlich auch visuelle Informationen nutzen. In Relation zu ihren Körpermaßen besitzen viele Fledermäuse große Augen, die sehr gut an nächtliche Lichtverhältnisse angepasst sind. Ob diese Tiere aber auch über neuronale Anpassungsen verfügen, welche die visuelle Information noch über die optischen Mechanismen hinaus verstärken, ist bisher nicht untersucht worden.

Wir nutzen optische, anatomische, histologische und neurophysiologische Methoden in echoortenden Fledermäusen, um das periphere visuelle System (Sehfeld und retinalen Aufbau) dieser Tiere zu untersuchen und um herauszufinden, wie räumliche visuelle Information im Mittelhirn von Fledermäusen representiert wird. Wir konnten bisher zeigen, dass in Übereinstimmung mit dem Echoortungssystem, der Bereich des schärfsten Sehens bei Fledermäusen nach vorne ausgerichtet ist. Monokulare Sehfelder hingegen, decken einen seitlichen Bereich des visuellen Raumes ab, der viel größer ist als der Bereich den eine Fledermaus mit einem einzelnen Echoortungslaut sondieren könnte. Desweiteren konnten wir zum ersten mal zeigen, dass auch bei echoortenden Fledermäusen die visuelle räumliche Information in From von Raumkarten in einem senso-motorischen Bereich des Mittelhirns abgebildet ist. Wir vermuten, dass visuelle sensorische Informationen von motorischen Neuronen genutzt werden, um das Echoortungssystem der Fledermaus auf visuell wahrgenommene Objekte auszurichten. Wir haben drei neuronale Eigenschaften im Mittelhirn von Fledermäusen gefunden, die wahrscheinlich dazu beitragen, dass diese Tiere visuelle Information in der Dämmerung nutzen können: 1) die sehr großen rezeptiven Felder der visuellen Neurone ermöglichen die räumliche Aufsummierung visueller Information, was die Sensitivität des Sehsystems erhöhen könnte. 2) vergleichsweise kurze Antwortlatenzen der visuellen Neurone stellen eine gute zeitliche Auflösung sicher, die besonders für sich schnell fortbewegende Tiere wichtig ist. 3) starke Oscillationen in den neuronalen Antworten könnten eine Synchronisierung der Aktivität innerhalb oder zwischen einzelnen Bereichen des visuellen Systems der Fledermaus ermöglichen, welche die Effektivität des Sehsystems erhöhen würde. Mit diesen Ergebnissen können wir veranschaulichen, dass echoortende Fledermäuse ein bisher unbekanntes aber vielversprechendes Tiermodell darstellen, um die neuronalen Aspekte von skotopischem Sehen in nachtaktiven Tieren zu untersuchen.

Neuronale Mechanismen für die räumliche Orientierung durch Echoortung

Die meisten Tiere nutzen ihr räumlich sehr präzises visuelles System, um sich in ihrer Umwelt zu orientieren. Informationen, die über das räumlich weniger präzise auditorische System aufgenommen wurden, werden eher als Alarmsignal genutzt, um das visuelle System auf die ungefähre Position der Geräuschquelle auszurichten. Es wird angenommen, dass echoortenden Fledermäuse einen anderen Mechanismus verwenden: diese Tiere nutzen ihr hoch direktionales Echoortungssystem um sich im Raum zu orientieren und Objekte wahrzunehmen. Sie senden Ultraschallaute aus und analysieren die zurückkommenden Echos, um die Position, die Entfernung, die Größe, die Form und die Oberflächenstruktur von Objekten in ihrer näheren Umgebung zu bestimmen. In diesem Zusammenhang bin ich besonders daran interessiert, herauszufinden, wie die 3-dimensionale räumliche Information, die in den Echos enthalten ist, von auditorischen Neuronen im Gehirn der Fledermaus kodiert wird.

Es wurde schon vor längerer Zeit beschrieben, dass in unterschiedlichen Bereichen des Hörsystems von Fledermäusen neuronale Karten existieren, die die Entfernung zu einem Objekt kodieren. Hinzukommend haben wir vor Kurzem eine topographisch angeordnete Kodierung der azimuthalen Position von Objekten in einem senso-motorischen Bereich des Mittelhirns bei Fledermäusen gefunden. Besonders für Fledermäuse, die sich sehr schnell durch eine stark strukturierte Umgebung bewegen, ist es sehr wichtig, dass räumliche Informationen zwischen dem sensorischen und dem motorischen System übertragen und koordiniert werden. Die neuronalen Raumkarten im Mittelhirn der Fledermaus könnten den Transformationsprozess der räumlichen Echo-Information in zielgerichtete Orientierungsbewegungen ermöglichen. Da die sensorische Umgebung einer Fledermaus aber selten statisch ist sondern ständiger dynamischer Prozesse unterliegt, haben wir untersucht wie sich die neuronale Kodierung von räumlicher Information über die Zeit verändert. Wir konnten zeigen, dass sich die räumlich-zeitlichen Antworteigenschaften von Neuronen im Mittelhirn signifikant von denen im auditorsichen Kortex unterscheiden. Während im Mittelhirn eine Verstärkung des räumlich-zeitlichen Kontrasts der akustischen Information zur Merkmalsextraktion genutzt wird, rekombinieren kortikale Neurone diese Merkmale in einer höchst selektiven und aufgabenorientierten Art und Weise.

Vita

Seit 2016:       Wissenschaftlerin, Abteilung Verhaltensneurobiologie, Max-Planck-Institut für Ornithologie

2015 – 2016:   Mutterschutz

2013 – 2015:   Postdoc, Lehrstuhl für Zoologie, Technische Universität München

2011 – 2013:   Mutterschutz

2009 – 2011:   Postdoc, Abteilung Neurobiologie, Ludwig-Maximilians-Universität München

2005 – 2009:   PhD Candidate, Abteilung Neurobiologie, Ludwig-Maximilians-Universität München

Zur Redakteursansicht